Nun bin ich bereits seit drei Wochen hier in der Toskana und bin auch mental angekommen. Es hat tatsächlich so lange gedauert bis ich das erste Mal an meinem Notebook sitze und meine Gedanken "zu Papier" bringen kann. Die ersten beiden Wochen habe ich gebraucht, um die neue Situation zu erfassen und zu akzeptieren. Nachdem die ersten Tage sich noch wie Urlaub anfühlten und ich meine Umgebung kennenlernen, das Essen genießen und das angenehme Klima spüren konnte hatte ich allerdings eine gewisse Unruhe in mir, die sich in wilden Träumen besonders deutlich bemerkbar machten. Darin tauchten insbesondere Kolleg*innen, (Stress-)Situationen aus meinem Arbeitsalltag und Ängste und Befürchtungen auf, die mich am nächsten Morgen daran erinnerten, in welchem Hamsterrad ich in den vergangenen Jahren gesteckt hatte. Die Botschaften dieser Träume waren für mich immer ähnlich: "Du willst nicht mehr zurück. Du möchtest in Zukunft nicht mehr arbeiten." Diese Gedanken trugen nicht zu meinem Selbstvertrauen bei sondern hinterliessen bei mir Selbstzweifel. "Konntest Du in Deinem Berufsleben bisher überhaupt einen Beitrag leisten? Was kannst Du denn wirklich und wo liegen Deine Kompetenzen?" Diese Phase dauerte dann ungefähr eine Woche.
Offensichtlich brauchte mein Geist einige Zeit, um die neue Situation zu begreifen und zu akzeptieren. "Darf ich mir diese Zeit nehmen?" - "Was wird die Zukunft bringen?" - "Was kann ich konkret jetzt tun, um meine Schicksal in die Hand zu nehmen?".
Als ich nach zwei Wochen das erste Mal wieder mit guten Freunden telefonierte und ich daran erinnert wurde, dass ich durchaus noch fähig war, klar zu denken und ich mir diese Zeit nehmen dürfte, um meine Selbstzweifel zu durchleben, wurde ich ruhiger und gewann mein Vertrauen in meine Fähigkeiten langsam zurück.
In vielen Gesprächen mit meiner Frau wurde mir klar, dass ich Lernen darf, Neues zu erleben und zu erfahren. Jedes Erlebnis und jeder Gedanke ist wertvoll und wichtig. Ich darf lernen, alles bewusst anzunehmen, zu reflektieren und abzuspeichern. Allerdings erfordert es keine Reaktion oder eine Bewertung meinerseits.
Am Ende wird sich alles zu einem großen, neuen Bild ergeben.
In dieser Situation fiel mir heute der Begriff "Serendipity"wieder ein. Kurz zusammengefasst bedeutet Serendipity, Entdeckungen durch Zufall und Klugheit von Dingen zu machen, nach denen man nicht sucht. (http://livingheritage.org/three_princes.htm ) . Das Wort und seine Bedeutung wird seit einigen Jahren im Rahmen der "Achtsamkeit"-Bewegung häufig verwendet. (siehe hierzu z.B. auch: https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/serendipity-wieso-zufaelle-gut-sind/). Den Zufall mit offenen Armen willkommen zu heißen, hilft dabei, die Welt von morgen neu und besser zu gestalten. Im erweiterten Sinn bedeutet es, Spinnereien und spontane Ideen nicht einfach als solche abzuwerten sondern als Teil eines Kreativprozesses zur Kenntnis zu nehmen, nicht zu bewerten sondern den notwendigen Raum zur Reflektion einzuräumen. Die Zukunft kann dann zeigen, welchen Einfluß diese Elemente auf eine mögliche Lösung eines Problems haben können.
Ich empfinde diese Betrachtung als hilfreich für meine aktuelle Situation. Ich werde offen und ohne Wertung meinen Gedanken Raum geben in der Hoffnung, daraus eine Perspektive für meine Zukunft ableiten zu können.
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